Wie viele Unparteiische es dereinst waren, die sich kurz nach dem Ersten Weltkrieg zusammenschlossen, ist nicht überliefert.
Fest steht indes, dass Anwärter für das Amt des Unparteiischen damals bis nach Wetzlar reisen mussten, um so genannte „Belehrungsstunden“ besuchen und die Schiri-Prüfung ablegen zu können.
Im Mai 1920 riefen heimische Spielleiter die Schiedsrichtervereinigung Dillenburg ins Leben. Am 13. Juni 2020 – fast genau ein Jahrhundert später – feiert die rund 160 Mitglieder zählende Organisation im Donsbacher Dorfgemeinschaftshaus ihr 100-jähriges Bestehen.
Anlass genug, auf die Geschichte des Schiedsrichterwesens im ehemaligen Dillkreis zurückzublicken.
Schon im Jahre 1874 – als im ehemaligen Dillkreis noch keiner an Fußball dachte – erschienen in Deutschland die ersten (von den Engländern übernommenen) Fußball-Regeln in gedruckter Form.
Die Spiele fanden ohne Schiedsrichter statt. Die beiden „Spielkaiser“ (Spielführer) verhandelten vor dem Spiel über die Regelauslegung und überwachten während des Spiels die Einhaltung derselben.
Schiedsrichter waren zunächst ohne Ausbildung oder Lehrgang aktiv
Im Westdeutschen Spielverband (WSV), dem bis 1933 auch die Vereine des Dillkreises angehörten, mussten ab der Saison 1902/03 alle am Spielbetrieb teilnehmenden Mannschaften einen Schiedsrichter stellen (ohne Ausbildung oder Lehrgang).
Der Heimverein musste zum Spiel vier Linienrichter stellen. Der Schiedsrichter erhielt keine Spesen, nur die Erstattung der Fahrtkosten (mit der Eisenbahn, 2. Klasse) war üblich. Die Spielleitung erfolgte in normaler Straßenkleidung.
1908 wurden im WSV erstmals Spielerpässe eingeführt (ohne Passbild). Um eine einheitliche Regelauslegung zu erreichen, wurden 1912 im Westdeutschen Spielverband Schiedsrichter-Vereinigungen auf Bezirksebene ins Leben gerufen; sie übernahmen die Ausbildung und Schulung der Schiedsrichter.
Nachdem der Spielbetrieb während des Ersten Weltkriegs zum Erliegen gekommen war, wurde nach Kriegsende im Mai 1919 eine Schiedsrichter-Gruppe für die Kreise Wetzlar, Dillenburg und Weilburg ins Leben gerufen. Aus unserem Kreis gehörten dieser Gruppe Heinrich Habicht (Dillenburg) und Berthold Hoffmann (Niederscheld) an.
Berthold Hoffmann war erster Obmann der Dillkreis-Schiedsrichter
Um die Schiedsrichterausbildung weiter zu fördern, beschloss der Vorstand des WSV im Jahr 1920, Untergruppen (Schiedsrichter-Vereinigungen) auf Kreisebene zu bilden.
Als erster Obmann fungierte Berthold Hoffmann (bis 1928); er wurde von Heinrich Habicht abgelöst, der das Amt bis 1943 bekleidete.
Die Schiedsrichter-Anwärter mussten die Belehrungsstunden in Wetzlar besuchen und dort auch ihre Prüfung ablegen.
Bekanntgabe der Ansetzungen in der Tageszeitung
Auch die Ansetzung erfolgte (bis 1944) von Wetzlar aus durch Hugo Hoffmann; die Ansetzungen wurden in der Tageszeitung bekannt gegeben.
Die monatlichen Vollversammlungen wurden im Ausschank der „Oranien-Brauerei“ in Dillenburg durchgeführt.
1930 bestand die Schiedsrichtervereinigung Dillenburg aus 55 Mitgliedern. Bedingt durch den Militärdienst sank die Zahl der Mitglieder auf 31 Schiedsrichter und zehn Anwärter.
Während des Krieges erfolgte eine Zusammenlegung mit dem Kreis Biedenkopf.
In den späten 1930er-Jahren bis zum Kriegsende fanden die Monatsversammlungen sonntags vormittags ab 10 Uhr im Lokal Hoffmann in der oberen Hauptstraße in Dillenburg statt.
Zu diesen Treffen wurden auch die Vereinsjugendleiter eingeladen.
Auflösung der Schiedsrichtervereinigung durch die Militär-Regierung
1943 wurde eine Liste der Dillkreis-Spitzen-Schiedsrichter veröffentlicht. Adolf Müller (Frohnhausen) und Heinrich Müller (Dillenburg) wurden für die Bereichsklasse (höchste deutsche Klasse) nominiert.
Hermann Schaffner (Haiger), Friedrich Hild (Herborn) und Artur Philipp (Burg) durften in der Bezirksklasse (zweithöchste Klasse) pfeifen.
Nach dem letzten Spiel im Juni 1944 wurde die Schiedsrichter-Vereinigung – wie alle Vereine – von der Militär-Regierung aufgelöst.
Fortsetzung folgt!